Intranet-Usability

Die Theorie

Intranets sind bei mittelständischen und größeren Unternehmen mittlerweile ein selbstverständliches Instrument der internen Kommunikation und Organisation. Die Einsatzfelder von Intranets im betrieblichen Alltag sind vielfältig: sei es zur Kommunikation von Betriebsterminen, Wissensmanagement (z.B. Skill- und Supportdatenbanken, Marketing- und Kundeninformationen) oder zur Fortbildung (z.B. Web Based Trainings).

Die theoretischen, betriebswirtschaftlichen Wirkungen von Intranets liegen auf der Hand: Kostenreduzierung durch effizientes Wissensmanagement, Verbesserung des Kundenservice durch schnellere Antwort- und Reaktionszeiten, küzere Einarbeitungszeiten von neuen Mitarbeitern, Vermeidung von administrativen Doppelarbeiten etc.

Die Praxis

Diese positiven Effekte eines Intranets können jedoch nur wirksam werden, wenn das Intranet eine hohe Nutzerakzeptanz hat und eine effiziente und effektive Nutzung zulässt. Leider ist dies nur selten der Fall. Neben der Suche und guten News-Archivfunktion ist die Informationsarchitektur ein zentraler Erfolgsfaktor für die intuitive Nutzbarkeit und Zugänglichkeit von Inhalten. Aber genau das ist das Problem: Intranets sind oft über Jahre “gewachsene” Systeme. Die Inhalte sind abteilungs- bzw. herausgeberorientiert strukturiert, d.h. Abteilungen legen Inhalte und Vorlagen in “ihrem Abteilungsordner” ab.

Die Folge: Mitarbeiter können Informationen nur dann auffinden, wenn sie die Verantwortungsgebiete der Abteilungen kennen. Eine intuitive Navigation ist nicht oder nur sehr schwer möglich. Die wirtschaftlichen Produktivitätsverluste durch eine schlechte Intranet-Usability sind dabei enorm: so schätzt Jakob Nielsen, dass ein Unternehmen mit 10.000 Angestellten aufgrund schlechter Intranet-Usability etwa 10 Mio. Dollar pro Jahr in Form von reduzierter Mitarbeiterproduktivität verliert.

Erfolgsfaktor Informationsarchitektur

Eine Strukturierung der Inhalte nach Themen, also inhaltlichen Kriterien, würde die erwähnten Probleme lösen. Aber wie sollen die Inhalte konkret strukturiert werden? Wie kommt man zu einer Themennavigation, die für alle Mitarbeiter “intuitiv verständlich” ist? Welche Kriterien müssen eigentlich erfüllt sein, damit ein Nutzer eine Navigation “intuitiv” benutzen kann?

Um diese Frage zu beantworten, bedarf es eines kleinen theoretischen Exkurses:

Unser Gehirn verfügt über eine Vielzahl von sog. Mentalen Modellen. Mentale Modelle sind vereinfachte Schemata unserer Umwelt und helfen uns dabei, auf eine komplexe Umwelt schneller und adäquat zu reagieren. Ein Beispiel für ein mentales Modell aus dem Alltag: Sie gehen in zum Lunch in ein Lokal. Sie setzen sich hin. Was passiert dann? Die Frage können Sie mit Sicherheit leicht beantworten und wird bei der Mehrzahl von befragten Personen gleich ausfallen: der Kellner kommt, Sie geben Ihre Bestellung auf, das Essen wird serviert, Sie bezahlen und gehen.

Wir können davon ausgehen, dass Internet-/Intranet-Nutzer ebenfalls über mentale Modelle von Websites verfügen. Entspricht die Benennung und Strukturierung der Themennavigation dem mentalen Modell der Nutzer, dann werden sie die Navigation als nachvollziehbar und intuitiv empfinden. Stellt sich die zentrale Frage: Wie erfasst man nun das mentale Modell der Nutzer?

Die Methode: “Cardsorting” - Der Weg zur intuitiven Navigation Cardsorting-Studien werden i.d.R. in zwei Projektstufen durchgeführt (vgl. Abb.1):

    Projektstufe 1: Entwicklung eines konzeptuellen Modells In dieser Projektphase entwickeln Experten (zuständige Intranetredakteure, Abteilungsmitarbeiter) auf Basis ihres eigenen mentalen Modells ein sog. konzeptuelles Modell.Zentrale Zielsetzungen dieser Phase:

    • Frühzeitige Integration der Fachabteilungen
    • Identifikation von veralteten und redundanten Inhalte (Stichwort: Frühjahrsputz für das Intranet)
    • Eindeutige und verständliche Benennung der verbleibenden Rubriken und Inhalte

    Projektstufe 2: Durchführung der Cardsorting-Studie mit den Mitarbeitern / Nutzern Die in Stufe 1 definierten Inhalte sind jetzt die Basis für die Durchführung der Cardsorting-Studie mit den Mitarbeitern.

    Hier wird erfasst, wie die Nutzer die Inhalte gruppieren, organisieren und benennen, um auf diese Weise Rückschlüsse auf das mentale Modell der Nutzer zu ziehen. Konkret bedeutet dies, dass Nutzer Karten mit Navigationslinks in der Weise sortieren, wie sie in ihrer Vorstellung thematisch zusammengehören und eine Art Sitemap erstellen (vgl. Abb. 2).

    Die Lösungen der Mitarbeiter werden mit Hilfe von statistischen Verfahren analysiert und die beste “Sitemap” - also die Architektur, die dem mentalen Modell der meisten Mitarbeiter entspricht – identifiziert.

Erfolgsfaktor Mitarbeiter

Ein wichtiger Faktor für die erfolgreiche Implementierung einer Themennavigation ist die frühzeitige Einbindung der Fachabteilungen und der zuständigen Mitarbeiter. Im Rahmen eines solchen Projekts sind eine Reihe von Widerständen und Gegenargumente zu überwinden:

  • “Wir benötigen keine Themennavigation. Eine gute Suche ist ausreichend” Hier ist es hilfreich, wenn im Vorfeld des Projekts eine detaillierte Ist-Analyse, z.B. in Form einer Mitarbeiterbefragung, durchgeführt wurde. Aber auch die Analyse des tatsächlichen Nutzungsverhaltens mittels User-Tracking ist sehr nützlich, um überzeugende Argumentationen zu entwickeln.
  • “Das sind UNSERE Inhalte.” Der “Abteilungsordner” im Intranet wird unterschwellig als Plattform zur unternehmensinternen Präsentation der Abteilung verstanden. In Workshops und durch frühzeitige Integration der Fachabteilungen kann dieses abteilungsbezogene Denken überwunden werden. Des Weiteren sollte es einen Menüpunkt in der Themennavigation geben, in dem sich die Abteilungen präsentieren können (Leitung, Organigramm, Mitarbeiter, Aufgabengebiet).

Eine Akzeptanz bei den Fachabteilungen und Redakteueren ist auch vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit sehr wichtig. Denn die Themennavigation ist kein statisches Gebilde. Neue Inhalte und damit Themen kommen hinzu, andere Themen verlieren an Bedeutung. Insbesondere bei einem dezentral gepflegten Intranet müssen die Redakteure die Themennavigation auch zukünftig “hegen und pflegen”. Unterstützend sollten eindeutige Redaktionsprozesse definiert werden, um einen Wildwuchs der Themennavigation zu verhindern.

09/2006, Prof. Dr. Miriam Yom & Thorsten Wilhelm

Quelle: http://www.contentmanager.de/magazin/artikel_1131_usability_nutzerfreundlich_intranet.html